Namibia

Wendekreis des Steinbocks

Namibia

Weites Land...

Zum dritten Male reise ich ins südliche Afrika. Nach einer längeren Tour durch Zimbabwe und Botswana mit Abstecher nach Sambia, sowie einer Radtour von Port Elisabeth nach Kapstadt mit Teilnahme am weltweit größten Jedermann Radrennen ist es diesmal Namibia mit Anke, Eddy und Tomm. Mit einer Familie zu reisen verlangt deutlich mehr Planung und so hatte ich schon ein dreiviertel Jahr vor dem Abflug alle Unterkünfte, Flüge und einen Allradwagen gebucht.
Nach etwa zehn Stunden über den Wolken und einer recht unbequemen Nacht im Flieger empfängt uns Windhuk gegen sechs Uhr morgens mit der aufgehenden Sonne und angenehmen Temperaturen zum Sommeranfang auf der Südhalbkugel.
Die Formalitäten am Zoll hinter uns lassend, den ersten Tausender getauscht und das Auto auf Ersatzreifen, Werkzeug und Zustand überprüft, setzen wir uns in westlicher Richtung in Bewegung. Schon nach kurzer Zeit kommt dieses wunderschöne Roadmovie-Gefühl auf. Schnelles gewöhnen an den Linksverkehr und das rechts angebrachte Lenkrad, um dann mit wenig Verkehr die ersten Kilometer zu fressen. Zum Glück haben wir ein Automatik Getriebe und so entfällt das ungewohnte Schalten mit der linken Hand.

Hinter Rehoboth verlassen wir den Teer und ab jetzt geht es für einige Tage auf Schotterstraßen durch die karge Landschaft. Heute machen wir genau das, wovon jeder Reiseführer abrät, wir fahren knappe vierhundert Kilometer nach schlecht geschlafener Nacht. Weder Anke noch ich sind besonders müde und genau wie die Kinder erfreuen wir uns an unserem Glück, aus dem deutschen Winter in diese heiße Wüsten- und Steppenlandschaft eintauchen zu dürfen. Ohne Schild passieren wir irgendwo im nirgendwo den Wendekreis des Steinbocks und damit den südlichsten Punkt, an dem die Sonne genau heute senkrecht am Himmel steht.
Ein blaues Haus mit der Aufschrift "Local Dealer" lässt uns anhalten und ein kaltes Getränk bestellen. Ein paar Anwohner lungern im Schatten herum und trinken ein Bier. Ein älterer Mann setzt seinen donkey cart in Bewegung, Fußfesseln am Kutscherbock, Blattfedern und Autoreifen unterhalb des Holzaufbaus. Ein Eigenbau aus dem besten hier Erhältlichen. In Namibia herrscht hohe Arbeitslosigkeit, fünfzig Prozent werden genannt. Gerade auf dem Land sind die Mittel begrenzt und Autos meist unerschwinglicher Luxus. Eselskarren sind eines der Hauptverkehrsmittel. Pittoresk für uns, Alltag der Einheimischen. Oftmals sehen wir Leute im Nichts unter einem Baum wartend und hoffend, von einem Pickup mitgenommen zu werden. Durch die Weite des Landes und die spärliche Population ist ein Netz öffentlicher Verkehrsmittel nicht finanzierbar. So sind die Menschen bei größeren Entfernungen darauf angewiesen, dass andere sie mitnehmen. Da jeder um die Entfernungen weiß, ist das Mitnehmen in Kabine oder Pritsche alltäglich.

Was am Anfang ein großer Spaß ist, nervt nach einigen Stunden und so sind wir froh als unser erster Halt Sesriem immer näher rückt. Die für den ersten Tag etwas zu lange Etappe mit viel Waschbrettpiste zermürbt uns zusehends. Das Ortsschild schon in Sichtweise fällt ein seltsames Geräusch auf. Leider zu spät, denn bis wir schließlich anhalten ist unser hinterer rechter Reifen nicht mehr brauchbar. Der Mantel ist völlig dahin. Wir wechseln das Rad und ich bin froh, dass es so kurz vor unserem ersten Ziel passiert ist. Zweihundert Kilometer vorher hätten wir auf Grund eines nicht vorhandenen zweiten Reserverades angefangen uns Sorgen zu machen! Wir fahren erst einmal in den Namib-Naukluft Park zur Sossus Dune Lodge und dann kümmere ich mich um einen neuen Mantel. Den sollen wir laut Mechaniker im Dorf dann am nächsten Tag erhalten.
Am Abend klettern Eddy, Tomm und ich auf die nahe der Lodge gelegene Düne und genießen den grandiosen Ausblick über die Ebene und die daraus scheinbar hervorwachsenden Berge. Auf der einen Seite senkt sich die Sonne langsam und auf der anderen steigt der Vollmond über eine Bergkette. Der Sand der Düne färbt sich immer roter und wir sitzen einfach glückselig da und freuen uns schon auf den morgigen Sonnenaufgang.

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Die roten Dünen und unsere erste Giraffe...

Eigentlich sollte der Alarm uns um vier Uhr wecken, aber irgendein guter Geist hat das verhindert und so erwachen wir eine Stunde später, brechen etwas überstürzt auf und schaffen es doch noch perfekt kurz vor Sonnenaufgang zur Dune 45. Ein kurzer, aber beschwerlicher Aufstieg durch den feinen Sand und wir sitzen mit ein paar anderen auf den Beginn des Naturschauspiels wartend. Aus dem Grau der Dünen wird langsam ein Rosa, dann spielen die ersten Sonnenstrahlen über die in der Entfernung liegenden Bergspitzen und der Sand leuchtet glühendrot. Die Weite und die Schönheit der Natur nehmen alle völlig gefangen. In mir ist Ehrfurcht vor Mutter Erde und der Schönheit der Schöpfung. Wenn man wie wir aus einem stark verdichteten Gebiet hierhin kommt, ist die Kargheit und Leere wie ein eingelöstes Versprechen.

Wir genießen das Naturschauspiel, verfolgen dabei den Weg zweier Heißluftballons am Horizont und stiefeln wieder hinab zu unserem Wagen.
Der Weg führt weiter hinein in die Sanddünenwelt der Namib und wir fahren bis zum Ende der Teerstrecke. Hier stehen 4x4 Wagen bereit, um uns durch den Sand Richtung Sossusvlei und Deadvlei zu bringen. Hoch ragt hier Big Daddy, die größte Düne der Namib, vor uns auf. Die Vleis oder Pfannen sind Lehmsenken, die durch temporär fließende und schließlich hier versickernde Flüsse entstanden. Gespeist werden die aus den Bergen östlich des Nationalparks. Zuletzt gab es vor einigen Jahren Wasser in dieser Gegend. Dann kann man manchmal für kurze Zeit sogar durch die Vleis schwimmen. Ein bestimmt surreal beeindruckendes Erlebnis!
Im Deadvlei stehen einige schwarze Bäume auf der beigen Ebene. Verwitterung dauert in dieser Trockenheit sehr lange. Am Rand sind noch ein paar begrünte. Ein unglaublicher Kontrast zu den roten Dünen. Eine violette Blüte an einer sattgrünen Pflanze mitten im Sand sticht mir ins Auge. Wo mag sie ihre Flüssigkeit herbekommen? Vielleicht von den feuchten Nebeln, die vom Wind über die Küste ins Hinterland getragen werden. Die hier lebenden Organismen sind alle Überlebenskünstler in einer unwirtlichen Umgebung. Wir gehen ein paar Minuten in der Pfanne herum, aber die Hitze lässt uns bald den Rückzug antreten. Für Menschen ist es hier bedrohlich und ohne Wasser sollte keiner sich weiter in diese Welt hineinwagen.

Auf dem Rückweg zu unserem Wagen bleiben wir an einem im Sand festgefahrenen Renault Duster stehen. Das hingehaltene Abschleppseil verschmäht unser Fahrer und fordert stattdessen alle Insassen zum gemeinsamen Ruckeln auf. Durch den so unter die Räder rieselnden Sand heben sich diese langsam wieder auf die Oberfläche. Nach zwei vergeblichen Versuchen funktioniert es beim dritten Mal mit vereinten Kräften und der Duster schiebt sich frei und zieht von dannen. Lustig, wie Eddy mich am Deadvlei noch darauf hingewiesen hatte, dass sogar ein Duster hier durch den Sand käme, wir es also doch wohl mit unserem Nissan X Trail auch hätten schaffen können.
An der Tankstelle in Sesriem, einem paar Seelen-Ort, ist ein angeschlossener Reifenservice. Ich bin hier offensichtlich nur einer von mehreren mit dem gleichen Problem. Während die Familie vor dem angeschlossenen Café und Supermarkt eine Runde Rummy-Cup spielt und die Tankwarte mit Weihnachtsmannmützen die Zapfsäulen bedienen, schaue ich den jungen Männern bei der Arbeit zu: Wo bei uns spezielle Maschinen am Werk sind, zählt hier die Manneskraft und das nötige Geschick mit dem Werkzeug. Die Felge wird auf den neuen Reifen gelegt, dann mit Kraft obendrauf springen und schon ist die halbe Arbeit getan. Mit dem Monierhebel die untere Seite in die Felge ziehen und aufpumpen. Dann noch wieder aufziehen und zehn Minuten später sind wir 160€ ärmer, aber dafür kann es weiter gehen. Wir decken uns noch mit ein paar fünf Liter Kanistern Wasser und einer Handvoll Landjägern ein, bevor es wieder auf die Piste geht.

Wir fahren zur südlich gelegenen We Kebi Safari Lodge. Unterwegs begegnen uns die ersten Strauße und auch ein paar Onyx-Antilopen mit ihren langen, gedrehten Hörnern und der typischen Gesichtsmaske. Rechts und links der Straße ziehen sich - wie überall im Lande - die Wildzäune entlang.

Namibia ist zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland und hat nur etwa 2,3 Millionen Einwohner. Trotzdem ist das Land vollständig aufgeteilt. Die oftmals riesigen Farmen oder Lodges besitzen bis zu ein paar hunderttausend Hektar große Flächen. Durch die Kargheit kann nur extensive Landwirtschaft betrieben werden. Viele Betriebe setzen inzwischen auf Wild statt Vieh, um so die Natur wieder zu regenerieren und natürlich auch, weil mit Tourismus nachhaltiger Geld zu verdienen ist. Durch die Zäune sind nomadisierenden Tieren und Menschen leider die natürlichen Wanderrouten oft verwehrt. Andererseits schützen die Zäune auch den Tierbestand und verhindern das Grassieren von Krankheiten. In den naheliegenden Tirasbergen ist durch die Zusammenlegung von ehemals zwölf Farmen ein riesiges privates Naturschutzgebiet entstanden. Aber auch dieses wird nach außen genauso mit einem Zaun geschützt wie der weltbekannte Etosha Nationalpark. So sind selbst die Nationalparks letztendlich riesige Safariparks, auch wenn durch Elefanten natürlich immer wieder einmal ein Zaun eingerissen wird und Tiere hinein- oder herauswandern.
Nach zwei Stunden und ein paar Fotostopps später öffnen wir das Tor zur Lodge und fahren die letzten Meter auf roter Staubpiste zum Haupthaus. Wir beziehen eines der wunderschön gebauten Reetdachhäuser, freuen uns auf drei Tage Ruhe und daraus entstehenden Erlebnissen. We Kebi besitzt zwei halbzahme Hauszebras, die sehr zum Gefallen der Gäste immer wieder Terrasse und Haupthaus Besuche abstatten. Sobald sich die Möglichkeit ergibt, brechen sie durch die ungesicherten Türen ein und versuchen etwas zu stibitzen. Am zweiten Tag gelingt ihnen der Angriff auf die Zuckerdose. Mit dem Maul wirft eines der Zebras sie nach dem Ausschütten übers Buffett auf den Boden und leckt dann genüsslich die weißen Kristalle mit der Zunge auf. Ein anderes Mal werden Kaffeetassen und Gläser abgeräumt und mit lautem Krach zu Scherben verwandelt. Das Personal trägt alles mit Fassung und den wiederkehrenden Worten vom "naughty Zebra". Wahrscheinlich sind sie sich der Wirkung der Aufführung auf ihre Lodgegäste bewusst und sehen einen größeren Vorteil in den Handlungen als der Schaden beträgt.

Am Abend schwebt unsere erste Giraffe in fünfzig Meter Entfernung vorbei. Pünktlich zum Limelight findet sie ihren Weg an den Unterkünften entlang zu neuen Futterquellen. Wir sind fasziniert von der Grazie dieser Riesen, ihrem eleganten Gang und natürlich auch von der schieren Größe.

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Von der Wüste zum Meer...

Am nächsten Morgen stehe ich mit dem ersten Tageslicht auf und setze mich vor die Tür unserer Hütte. Ein größerer, sehr dorniger Busch, relativ flach, aber eine kreisrunde Fläche von etwa zehn Quadratmetern abdeckend war mir schon gestern ins Auge gefallen. Jetzt mache ich dort eine Familie von four-striped mice - Afrikanische Striemen-Grasmäuse aus, die sich scheinbar an den ersten Sonnenstrahlen wärmen wollen. Immer wieder schießen sie wild durcheinander aus dem Busch und wieder zurück. Mit dem Fernglas schaue ich eine Weile zu und auch Anke, die meistens etwas später aufsteht, ist fasziniert von dem morgendlichen Treiben.
Später am Nachmittag entdeckt Anke eine Agame mit blauem Kopf und Stacheln, die, wie bei einem kleinen Drachen, das Rückgrat entlanglaufen. Eine noch größere und auffälligere entdeckt Eddy an dem links vom Pool stehenden Baum. Beide halte ich mit der Kamera und in schönen Bildern fest. Noch öfters auf unserer Reise sind es die kleinen, aber sehr besonderen Tiere, deren Reizen wir erliegen. Extrem angepasst an die widrigen Umstände, kleinste Schattenflächen nutzend und mit sehr wenig Feuchtigkeit auskommend sind sie wahre Überlebenskünstler in diesen ariden Gebieten!

Wir haben uns für einen Game Drive auf der etwa 15.000 Hektar großen Fläche der Lodge entschieden. Eher als Beschäftigungstherapie während unserer ruhigen Tage hier, denn mit großen Erwartungen. Mit dem noch vor uns liegenden mehrtägigen Besuchs des Etosha Nationalparks kann bezüglich Tiersichtungen nichts in Namibia mithalten. Trotzdem freuen wir uns an dem wundervollen Tal, das wir durchqueren und sehen einige Tiere aus der Entfernung. Das eigentliche Abenteuer ist allerdings der immer wieder stotternde Motor des alten Toyota Land Cruiser. Wiederholt per Funk mit der Lodge Kontakt haltend versucht unser Fahrer uns mit allen Tricks wieder heil zurückzubringen. Als er mit der glühenden Zigarette an der Lippe unter das Auto kriecht lasse ich Eddy, Tomm und Anke aussteigen und einen Sicherheitsabstand einhalten. Ich folge lieber einer Giraffe und beobachte sie beim Blätterzupfen an einer Akazie. Letztendlich schaffen wir den das Tal von der Ebene der Lodge trennenden Hügel zwar hinauf, werden aber danach von einem Zweitfahrzeug übernommen und zurückgebracht.
Es ist der 24. Dezember, im Haupthaus leuchtet die Plastiktanne und ein paar Lichterketten. Für meine drei Mitreisenden habe ich jeweils eine Konzertkarte als Weihnachtsgruß unter dem Baum deponiert. Ansonsten bleiben weihnachtliche Gefühle bei um die 35°C eher eine Randerscheinung. So weit weg von dem Festwahnsinn waren wir selten und wir genießen es alle auf unsere Weise.

Ich ziehe in der Morgendämmerung allein los, weil ich gerne den südlich liegenden 1650m hohen Tsaris-Hoogte Pass überqueren möchte und auf schöne Fotos hoffe. Die Tsarisberge trennen hier den Namib-Naukluft Park von der tiefer liegenden Kalahari. Leider bleiben die Wolken diesmal am Himmel und so bleibt mir nur, mit guter Musik den Blick von der Höhe über die unendlich scheinende Kalahari schweifen zu lassen. Ein Tafelberg am Horizont, ein paar kleinere Erhebungen, sonst nur trockene weite Ebene. Auf dem Rückweg kreuzt ein Schabrackenschakal die Straße und ich folge ihm mit meinen Blicken, bis er hinter ein paar Büschen verschwindet.
Wir fahren heute nach Swakopmund an die Küste. Eine Halbierung der Temperatur steht uns bevor. Durch die an über 200 Tagen im Jahr vom Atlantik hereinziehenden Nebel klettert das Thermometer selten höher als zwanzig Grad Celsius. Wir fahren ein Stück zurück bis zur Abbiegung nach Sesriem und dann auf der C19 weiter nach Solitaire. Hier hält fast jeder, einmal wegen einer der wenigen Tankstellen, aber auch wegen der hier irgendwann liegengebliebenen Oldtimer, die nun pittoresk am Ortseingang verrotten. Zudem gibt es den landesweit berühmten Apfelkuchen der McGregors Bakery, von uns getestet und wirklich seinem Ruf gerecht werdend. Wir legen eine längere Pause ein, kaufen drei 5-Liter Kanister mit Trinkwasser und decken uns mit köstlichen Wildragoutpasteten ein. Restaurants sind auf der weiteren Strecke kaum zu erwarten.

Ein Traktor, von irgendwo kommend, biegt mit plattem Vorderreifen ein. Auch hier gibt es eine Autowerkstatt und einen Reifenservice. Wir haben keine Ahnung, woher der Trecker stammt, die Farmen sind so groß, das wir so gut wie nie ein Farmhaus von der Straße aus sehen können.
Zwei Mal sehen wir Zebraherden in weiter Entfernung vorbeilaufen. Ein paar Strauße und Antilopen im Schatten der wenigen Bäume. Wir kommen über den Kuiseb Pass hinab in den Kuiseb Canyon, ein markanter Einschnitt mit auffallend in geriffelten Linien verlaufenden Gesteinsschichten aus Damaraschiefer und weicherem Kalkstein. Der Canyon erscheint als eigenes Biotop mit durch die steilen Wände geschützten schütteren Grün. Kurze Zeit später schauen wir hinab auf die Ebene der Zentral Namib. Erst kurz vor Walvis Bay lösen Dünen die monotone Geröllwüste ab. Nachdem wir uns kurz in einem arm wirkenden Township verfranzt haben, fahren wir parallel zum rauen Atlantik die letzten fünfzig Kilometer nach Swakopmund.
Während Walvis Bay eine recht unattraktive Hafen- und Industriestadt ist, hat Swakopmund den etwas zweifelhaften Reiz eines beliebten Urlaubsortes. Aus der deutschen Kolonialvergangenheit gibt es einige architektonische Überbleibsel und auch Schilder mit Straßennamen der Kaiser Wilhelm-Zeit stehen noch neben Neuen mit Helden des unabhängigen Namibias. Es gibt wohlhabende Stadtgebiete mit Villen, eine etwas ungemütliche Innenstadt, die durch ihre überbreiten Straßen - auch das ein Kolonialerbe - leider keinen besonderen Charme verbreitet und vor allem ein großes Angebot an Restaurants, Hotels und Freizeitaktivitäten. Hierher kommen in den südlichen Sommermonaten hitzegeplagte Windhoeker, Erholung suchende Südafrikaner und vom nördlichen Winter fliehende Europäer, vor allem Deutsche. An den Rändern der Stadt finden sich die verschiedenen Townships mit ihrer noch aus der Apartheid stammenden Einteilung nach Völkern.
Swakopmund hat seine Geschichte noch lange nicht verdaut, auch wenn die Probleme einem heute nicht mehr direkt zu deutlich in die Augen springen. So reizvoll und bizarr es ist, im südlichen Afrika deutsche Restaurantnamen zu lesen und von blonden Weißen in unserer Muttersprache angesprochen zu werden, so sind doch auch noch immer die Villenviertel überwiegend von Weißen bewohnt und hinten auf dem Pickup sitzen zu oft Schwarze neben Hunden. Ähnlich wie auch in Südafrika und früher in Zimbabwe ist die ungleiche Verteilung von Land und Besitz auf Dauer eine Sprengladung. Ungewiss, ob sie detonieren wird oder eine Entschärfung funktioniert. Das Erbe von Kolonisation und Apartheid ist eine immer noch offene Wunde, nur teilweise von dünnem Schorf abgedeckt.

Landschaftlich liegt der Reiz der Stadt im Nebeneinander von Atlantik und Küstenwüste. Wie sonst nur in Chiles Atacama oder Mexikos Baja California geht es hier vom Meer direkt in eine unwirtliche, menschenfeindliche Landschaft über. Leider fällt die für den zweiten Weihnachtstag gebuchte Tour zu den Little Five, Wüstengecko, tanzende weiße Lady - eine Spinnenart, seitwärts schlängelnde Otter, Fitsimmon´s Burrowing Skink- die beinlose Echse und Anchietas Wüsteneidechse und natürlich immer gern gesehenen Beifang aus, da unser Führer nicht aufzufinden ist. Wir fahren stattdessen mit Fat Tyre Bikes in die Dünen und staunen, dass wir damit auf Sand sogar bergauf radeln können. Die dunkleren Stellen im Sandmeer sind besser zu fahren, da eisenhaltiger. Unser Guide zeigt uns mit einem Magneten, wieviel Eisen hier im Sand enthalten sind. Wir sind alle sehr erstaunt, als in seiner Hand die Eisenspäne dicht an dicht sitzen, nachdem der Sand durch die Finger gerutscht ist.

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Robbenirrsinn am Cape Cross...

Am Nachmittag fahren wir auf den Salzpads gen Norden bis Cape Cross. Aus Salz, Sand und Schlacke gemischt ergibt sich eine feste, gut zu befahrende Oberfläche. Nur bei größerer Feuchtigkeit möchte ich nicht unterwegs sein müssen! Am Kreuzkap lebt eine riesige, 250.000 Tiere umfassende Robbenkolonie. Im November und Dezember kommen hier in großen Mengen ihre Babys zur Welt. Der Anblick ist genauso umwerfend wie der Gestank und das laute Geschrei. Hohe Wellen schlagen an die Küste und die schiere Menge ist überwältigend. Jeden Tag brauchen die Robben weit über eine Million Kilogramm an Frischfisch. Deswegen ist diese sehr fischreiche Gegend ideal für die Kolonie. Überall liegen tote oder nur noch zuckende Babyrobben zwischen den anderen Tieren. Für Anke ist es fast nicht zu ertragen, für mich ein Sinnbild des Lebens, der Überlebenskampf im Wettstreit gegen die Kräfte der Natur.

Leider lohnt sich der lange Umweg über schlechte Piste zur Ameib Farm nicht. Am Eingangstor erfahren wir von zwei hier rastenden Männern, dass die Besitzerin gestorben und die Farm für Besucher geschlossen ist. Einer der beiden erzählt von Erbstreitigkeiten der beiden Söhne. Der eine Sohn soll die Farm verkauft haben, während der andere auf Besuch in Europa weilte.
Wir fahren weiter zur Spitzkoppe, einem aus der Ebene aufragenden kleinen kompakten Gebirge. Die große Spitzkoppe überragt mit fast 1800m das umliegende flache Land um 800m. Das kleine Massiv wirkt aus der Entfernung kompakt, hat aber im Inneren relativ große Ebenen. Uns fasziniert die Struktur des Gebirges und hätten wir nicht im Café am Eingang ein bisschen Stress miteinander gehabt, wäre hier noch eine Tour zu den Felszeichnungen bestimmt sehr interessant gewesen. Aber auch so genießen wir unseren Spaziergang durch und über die rötlichen Felsen mit fantastischen Ausblicken.
Uis war einst Bergbaugebiet für den Abbau von Zink und Wolfram bevor der Ort auf Grund fallender Weltmarktpreise 1991 in einen Dornröschenschlaf viel. Die südafrikanischen Ingenieure verließen ihre Häuser, die nun Verfall und Vandalismus preisgegeben waren. Ein über dem Ort wohnender Investor kaufte den Ort und auch die Mine wurde 2017 übernommen und soll demnächst wieder in kleinerem Maße der örtlichen Bevölkerung Arbeit geben. Eine Ziegelei wurde aufgebaut und so gibt es zusammen mit dem Tourismussektor an Brandberg und Spitzkoppe nun wieder einige Arbeitsplätze und Hoffnung für die Bevölkerung. Uis teilt sich in zwei Teile, das Township, in dem der ärmere Teil die alte Arbeitersiedlung bewohnt und den Hauptteil, der aus einem Raster von einigen breiten Straßen besteht, an denen Häuser inmitten gepflegten Gärten stehen.

Wir haben ein sehr schönes Bed and Breakfast mit Blick auf das Brandberg Massiv und von oben auf den Ort. Die Gastgeber überlassen uns ihre Terrasse mit Pool. Nach dem heißen Fahrtag genießen wir die Abkühlung an diesem herrlich entspannten Platz inmitten des von der Hausherrin schön angelegten Kakteengartens. Zum Essen spazieren wir einen schmalen Fußweg hinab zu Inecia´s Home Kitchen, einem kleinem Privatrestaurant. Die Chefin betreibt neben ihrem Baustoffhandel das Restaurant nach Voranmeldung. Eine kleine Speisekarte mit leckeren Gerichten und jede Menge Informationen über Uis führen zu einem angenehmen Abend im Vorgarten ihres Hauses. Überraschend lädt sie uns noch zu einer Tour ein. In ihrem Suzuki fahren wir ins Township und bekommen in der Dämmerung einen Einblick in das Leben abseits des touristischen Pfades. Viele Häuser gewähren Einblicke durch die wegen der Hitze offenen Haustüren. Wir erfahren, dass es eine Krankenstation, eine kleine Bibliothek und auch einen Gemeinschaftsraum für größere Feiern gibt. Inecia stammt selbst hierher und ist so eine bestinformierte Begleitung.
Sie zeigt uns noch ihre alte Schule, in der sie auch ihren Mann kennenlernte. Ihren eigenen Sohn Karl-Heinz haben wir beim Abendessen kennengelernt. Er besucht seit seinem siebten Lebensjahr das deutsche Internat in Swakopmund. Heute, mit seinen fünfzehn Jahren, spricht er ein sehr gutes Deutsch und erzählt uns von seinem Traum Pilot zu werden. Seine ältere Schwester studiert in Südafrika, ist aber auch gerade in den Ferien zuhause. Inecias Temperament und die offensichtliche Zufriedenheit ihrer Familie lassen uns ganz beglückt für heute Abschied nehmen, aber auch direkt für Morgen wieder unser Abendessen buchen.

Ähnlich der Spitzkoppe ist auch das Brandberg Massiv schon vor Urzeiten ein Lagerplatz der nomadisierenden San gewesen. Durch seine Größe, unter anderem mit dem höchsten Berg Namibias, dem Königsstein mit 2580m, gibt es hier mehr Regen als im flachen Umland. In den Nischen und Bergfalten hält sich zudem der Wasservorrat länger, so dass es für die Nomaden möglich war, für sich und das Vieh gut zu sorgen. Über 50.000 Felszeichnungen sind hier dokumentiert. Wir erwandern mit Trentin die sehr bekannte White Lady, eine lange Zeit Rätsel aufgebende, etwa dreißig Zentimeter große, figurative Zeichnung. Der Name ist irreführend, da es sich laut neuerer Forschung um einen Krieger mit Pfeil und Bogen und ritueller weißer Körperbemalung handelt.
Wir sind froh, mehrere Liter Wasser dabei zu haben. Der Weg führt etwa eine Stunde durch ein recht enges Tal mit gegen Mittag stark ansteigender Hitze. Wir sehen Paviane auf den Felsen und Klippschliefer, eine an übergroße Meerschweinchen erinnernde Nagerart, die sich von Blättern ernährt und in Verbänden von bis zu achtzig Tieren zusammenlebt. Die etwa sechzig Zentimeter großen und fünf Kilo schweren Tiere sehen mit ihrem braunen Fell flauschig aus, nur die beiden großen und vorstehenden Vorderzähne wirken etwas abstoßend.

Die White Lady selbst ist schon relativ zerstört, die umgebenden Zeichnungen sind in wesentlich besseren Zustand. Vandalismus war und ist ein Problem, weswegen wir auch nur mit Führer das Tal besuchen dürfen. Trentin erklärt uns ein wenig über die immer noch strittige Deutung der Zeichnungen. So zeigt die Richtung, in der die Tiere ziehen, an, wo der beste Weg ist um Wasser, Futter oder einfach den Talausgang zu finden. Die bis zu 40.000 Jahre alten Werke findet man neben dem Brandberg auch an der Spitzkoppe und natürlich am hierfür bekanntesten Ort Namibias, Twyfelfontein.
Unser Versuch Wüstenelefanten zu entdecken, scheitert leider, da die Tiere sich augenblicklich nicht in den uns naheliegenden Gebieten des Damaraland aufhalten. Wüstenelefanten legen oft weite Strecken zurück, um an die wenigen Wasserstellen und Futterquellen in der trockenen Landschaft zu gelangen. Eigentlich ist das Flussbett des Ugab River ein beliebter Aufenthaltsort, leider nicht zu unserer Zeit.

Wir fahren am nächsten Morgen über Khoriax und Kamanjab zum Galton Gate, dem westlichsten der vier Eingänge zum Etosha Nationalpark. 1907 durch von Lindequist gegründet ist der Park leider inzwischen von anfänglich 93.240qkm auf noch stattliche 22.270qkm zusammengeschrumpft. Das ist aber immer noch mehr als halb so groß wie die Schweiz. Das Gelände mit der etwa ein Viertel der Fläche bedeckenden Etosha Pfanne, einer Salzwüste, ist überwiegend flach und besteht zu großen Teilen aus Savanne, durchmischt mit einigen Trockenwaldgebieten.
Schon vor dem Parkeingang begegnen uns vermehrt Zebras und Giraffen. Im Park freuen wir uns an den ersten Antilopen. Kudu, Eland, Springbock, Onyx und Impala kreuzen unseren Weg oder ziehen im lichten Buschland an uns vorbei. Gnu, Zebra und Giraffe sind ebenfalls zu beobachten. Von der Höhe des Dolomite Camp, einer von fünf im Park liegenden staatlichen Unterkünfte, sehen wir bei unserer Ankunft ein Spitzmaul- oder schwarzes Nashorn über die endlos scheinende Ebene ziehen. Tomm, Eddy und ich versuchen es noch mit einem Sprint zum Auto aus näherer Entfernung zu beobachten, aber bis wir den Weg erreicht haben ist das Tier schon vom Gelände verschluckt.

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Etosha Pfanne und Tierrausch...

Eine Pirschfahrt entlang der Wasserlöcher am nächsten Morgen bringt uns die in Namibia endemischen Hartmann Bergzebras näher. Neben den üblichen Verdächtigen am Wasserrand sind sie wegen ihrer geringen Verbreitung etwas Besonderes. Ein bei der Mutter trinkendes Fohlen gibt ein schönes Fotomotiv und wir verweilen eine Zeit, die Tiere betrachtend.
Ich habe unsere Fahrt durch den Etosha von Westen über den südlichen Eingang bis zum von Lindequist Gate im Osten geplant. Am späteren Vormittag entdeckt Eddy rechter Hand eine fünfundzwanzigköpfige Elefantenherde. Nur fünfzehn Meter neben der Straße ziehen sie gemächlich entlang. Mehrere Jungtiere mit Müttern sind dabei, vorneweg zieht ein alter Bulle. Wir setzen mehrmals rückwärts, um sie noch ein wenig länger beobachten zu können. Auch an den nächsten Wasserlöchern finden wir vereinzelte Tiere beim Trinken und Schlammbaden. Besondere Aufmerksamkeit bekommt ein Bulle, der seinen Penis ausfährt und sich zum allgemeinen Staunen damit am Bauch kratzen kann. Die Beweglichkeit scheint dem Rüssel nicht weit nachzustehen. Kurz vor dem Verlassen des Parks haben wir das Glück aus einiger Entfernung noch eine Löwin zu sehen. Schläfrig sitzt sie zwischen Dornenbüschen und gähnt von Zeit zu Zeit. Dabei sehen wir durch Fernglas und Kameraobjektiv ihre beeindruckenden Reißzähne. Wir waren schon neidisch, weil ein nettes Ehepaar, dem wir mehrmals in den letzten beiden Tagen begegnet sind, uns kurz zuvor im Okaukuejo Camp von ihrer Sichtung einer Löwin berichtet hatte. Leider entgeht uns ein gerade vorbeilaufender Streifenschakal, die wesentlich seltener vorkommende Wildhundart gegenüber dem Schabrakenschakal, als wir die Löwin entdecken. Auf dem Weg zum Mondjila Safari Camp sehen wir außerhalb des Parks noch ein ganz graues, in Matsch konserviertes Warzenschwein - sehr zur Freude von Eddy, der unbedingt eines der Tiere sehen wollte.

Von dem etwas schmuddeligen Camp aus verfolgen wir erste Regenschauer, die nach der langen Trockenzeit übers Land ziehen. Regenbögen werden von einem wunderschönen kitschigen Sonnenuntergang abgelöst und wir schlafen gut nach einem ereignisreichen Tag in unseren Zelten ein.
Etwa auf halbem Wege zum Camp Namutomi, ursprünglich ein Gehöft der Ovambo, dann Polizeiposten und ab 1903 ein deutsches Fort, das bis heute steht, sehen wir ein Auto am Wegesrand parken. Oft ein Zeichen, dass es etwas zu beobachten gibt. Wir müssen länger in die Büsche schauen und sind dann erstaunt, dass wir so lange gebraucht haben, um die zwei jungen Leoparden zu entdecken. Ruhig liegen sie im Dickicht völlig gelassen ihren Betrachtern gegenüber. Wir schieben uns in eine gute Position und können unser Glück gar nicht fassen: Leoparden sind recht scheu und normalerweise tagsüber selten auszumachen, da sie oft gut getarnt schlafend in Bäumen liegen. Als überwiegend nachtaktive Tiere beginnt ihre Zeit meistens mit der Dämmerung. Unsere Beiden sind an der Unterseite noch schneeweiß, ein Zeichen, das sie noch nicht sehr lange von der Mutter getrennt sind. Nach einer Weile erhebt sich einer der beiden und fängt eine Schildkröte aus einem kleinen Wasserloch. Seine Versuche die Beute aus ihrem Panzer zu holen sind nicht erfolgreich und so legt er das Tier immer wieder auf den Rücken neben sich. Sobald sie sich wieder bewegt und den Kopf vorsichtig aus dem Panzer streckt, versucht er es auf ein Neues. Irgendwann entfernt sich der erste und der zweite Leopard verkriecht sich kurze Zeit später tiefer ins Gestrüpp.

Wir halten kurz am Fort und sehen einige Streifenmungos, die hier aus Abflussrohren kriechen und auf der Wiese rumtollen. Sie sind nicht besonders scheu und so beobachtet Eddy sie aus der Nähe bei der Eidechsenjagd. Während ich sie fotografiere, versucht eines der Tiere meine Sandale anzuknabbern. Erst später erzählt mir Andreas, Manager von Emanya @ Etosha, dass Mungos sogar Cobras im Kampf töten. Meine Sandale wird glücklicherweise nicht als Feind angesehen und so bleiben meine Zehen vollständig.
Die nächsten beiden Tage schlafen wir etwa zwanzig Kilometer außerhalb im Emanya. Die sehr gut geführte Anlage verwöhnt uns und ist zusammen mit der We Kebi Safari Lodge unser Urlaubsfavorit. Zweimal fahre ich noch in den Park, eine frühe Runde mit Tomm und dann noch einmal am Nachmittag mit Anke und Tomm. Auf Anraten von Andreas versuchen wir unser Glück auf der Piste entlang der Pfanne in Richtung Stinkwater. Wir sehen einige Tokos, großschnabelige Tiere aus der Familie der Nashornvögel. Besonders schön sind aber die Zebras und Giraffen auf der Salzpfanne. Gegen die weiße Unendlichkeit, fast wie auf einem Meer, laufen die Tiere direkt vor unserer Nase entlang. Der Kontrast ist betörend. Später sehen wir noch Zebras und Strauße, die in weiterer Entfernung entlangziehen. Obwohl wir von den schon oft gesehenen Tierarten eigentlich schon fast gesättigt sind, ist das hier ein ganz besonderer Moment.

Der Waterberg, etwa 200km nördlich von Windhoek wird der letzte Übernachtungshalt auf unserer Reise. Hier ist die Kalahari noch grün und der dicht bewachsene Waterberg stemmt sich etwa 200m aus dem ansonsten topfebenen Umland. Der oben auf dem Plateau liegende Nationalpark hat die Aufgabe, ein Refugium für die bedrohte Tierwelt zu sein. Neben dem Schutz der hier lebenden Tier werden auch solche Tierarten angesiedelt, die an diesem Ort schon einmal vorkamen und dann, meistens durch Jagd, ausstarben.
Wir sind vor allem hier, weil es geführte Wanderungen zu den weißen- oder Breitmaulnashörnern gibt. Frühmorgens brechen Anke und ich auf und laufen in einer kleinen Gruppe etwa zwei Stunden durch die Savanne. Es gibt nur wenige Erklärungen und wir haben Mühe Schritt zu halten.  Das schon so oft getroffene Ehepaar, zwei Lehrer aus dem Erftkreis, sind auch wieder dabei. Da die Nashörner früher in der Trockenzeit gerne das Camp aufgesucht und sich an Autos gerieben haben, werden sie heute gefüttert, um sie so auf Distanz zu halten. Damit ist der Entdeckerreiz etwas verloren, aber solchen Kolossen in einem Abstand von knapp zehn Metern gegenüberzustehen ist dennoch Ehrfurcht einflößend! Nashörner können eine Spitzengeschwindigkeit von vierzig km/h erreichen, weswegen flüchten eine schlechte Idee wäre. Auch setzen die Tiere flüchtenden Objekten sofort nach. Deswegen sollen wir im Notfalle ruhig bleiben und langsam rück- und leicht seitwärts gehen. Nashörner sehen recht schlecht, so dass wir dann laut unserem Guide nichts zu befürchten hätten.

Zum Glück sind die von uns gesehenen fünf Exemplare äußerst entspannt und wir haben alle Zeit der Welt zum Beobachten. Zuerst liegt ein Bulle etwas abseits und eine Kuh mit ihrem fast zweijährigen Kalb unter den Bäumen. Dann kommen noch zwei weitere Nashörner dazu. Für uns zeigen sie keinerlei Interesse. Die Tiere werden jede Nacht von Wildhütern aufgesucht und verfolgt, um das Leben der Tiere vor Wilderern zu schützen. Die Nachfrage aus Fernost lässt den Preis für die Hörner inzwischen höher als Gold steigen. Erst letztes Jahr hatten Wilderer versucht eines der Tiere zu erschießen. Zum Glück war das ihnen zur Verfügung stehende Kaliber zu klein, um das Nashorn zu töten. Auf Grund ihrer Fußabdrücke und der in ihrem Wagen zwei Tage später vorgefundenen Gewehre konnten die Täter überführt werden und müssen nun langjährige Haftstrafen absitzen. Das wiederum lässt aber ihre Familien verarmen und so ist es wahrscheinlich, dass ein anderer oder, nach ihrer Entlassung, die Wilderer selbst es noch einmal versuchen werden. Ein Kreislauf, der nur dort, wo das Geld herkommt oder wenn man die Mittelsmänner, namibische Kriminelle, dingfest machen würde, gestoppt werden könnte. Die Wilderer selbst handeln meistens aus Not und in der Hoffnung auf ein paar Probleme weniger. Sie sind das kleinste Glied in der Kette des illegalen Handels, aber meistens die einzigen Bestraften. Nur durch ein Einbinden der lokalen Gemeinschaften kann diese Gefahr verkleinert werden. So ist Naturschutz, wenn er funktionieren soll, letzten Endes auch immer ein Sozialprojekt für das Schutzgebiet und seine Bewohner. Die Einbindung aller Gruppierungen vergrößert die Chance auf ein langfristiges Gelingen.

Am Nachmittag, während die Jungs mit dem Geländewagen die Nashörner aufsuchen, gehen Anke und ich in dem Tal am Fuße des Waterberg spazieren. Da es hier eine gut sprudelnde Quelle gibt, ist es sehr grün. Uralte Sycamore Trees (Maulbeerfeigen) stehen in der Nähe, Paviane schreien und streiten auf den umliegenden Felsen. So frisches Grün ist eine Augenweide und wir denken an den deutschen Sommer mit seinen intensiven Farbtönen. Der Ort ist eine Oase, nicht nur für die Pflanzen, sondern auch für unsere Sinne. Das Vogelgezwitscher, die Gerüche und die Vielfalt und Dichte der Pflanzen berühren uns.
Während unseres Abendmahls füttert einer der Wildhüter ein Stachelschwein vor der Tür an. Nur zwei Meter entfernt frisst es die milden Gaben. Es ist eines der Tiere, das auf meiner Wunschliste ganz oben stand und so bin ich außer mir. Erst beobachte ich ein wenig, dann laufe ich schnell, hole meine Kamera und mache noch eine Aufnahme. Immer wieder verschwindet das Tier mit raschelnden Stacheln hinter ein paar Felsbrocken, wird aber dann doch wieder vom Hunger rausgetrieben. Nähert sich jemand zu schnell oder zu weit, dann stellt es sein Stachelkleid drohend auf und tritt den Rückzug an. Stachelschweine sind nachtaktiv und deshalb habe ich nicht zu hoffen gewagt wirklich ein Exemplar zu sehen. Sie gehören zu den Nagetieren und ernähren sich überwiegend vegetarisch. Das ganze Leben verbringen sie mit einem Partner und sind in größeren Familienverbänden organisiert.
Zwei Tage beobachte ich immer wieder einen Webervogel vor unserem Haus beim Nestbau. Kunstvoll verweben die knallig gelben Vögel mit roten Augen Grashalme und Pflanzenteile erst zu einem Ring, der an einer Art Strick vom Ast herabhängt. Dann wird langsam das kugelförmige Nest hergerichtet. Zuletzt wird der Innenausbau mit weichen Materialien wie Moos ausgeführt. Nach einem guten Tag ist die Behausung fertig gestellt und das Männchen kann sie seinem Weibchen vorstellen. Weiter im Süden haben wir Nester von in Kolonien lebenden Webervögeln gesehen, in denen mehrere hundert Tiere leben können. Die Bauten können Telegrafenmasten oder nicht mehr ganz gesunde Bäume zum Umsturz bringen.

Auf dem Rückweg nach Windhoek planen wir einen letzten Halt bei der AfriCat Foundation, die sich in Okonjima Erhaltung und Ausbreitung von Geparden und Leoparden widmet. Durch Schulung, Beratung, aber auch Aufzucht und Auswilderung versucht die NGO den Bestand der Großkatzen zu sichern. Das Reservat hat Schulungsräume, eine Krankenstation und ein Besucherzentrum mit Übernachtungsmöglichkeiten. In einem umzäunten Bereich warten zwei Junggeparden auf ihre Auswilderung. Wir besuchen sie mit einem Führer im Toyota Landcruiser und sind fasziniert von ihrem grazilen Körperbau, den langen, dünnen Beinen und der aufregenden Zeichnung des Fells. Geparden sind tagaktiv und deswegen nachts eine relativ leichte Beute für Leoparden oder Hyänen. Sie sind die schnellsten Landtiere der Welt und erreichen kurzzeitig eine Geschwindigkeit von bis zu neunzig Stundenkilometer. Die Geparde sind - wie alle Großkatzen - in ihrem Bestand stark bedroht. Die AfriCat Foundation leistet hier wichtige Arbeit zum Schutz und Erhalt. Ein Großteil der Tiere lebt im südlichen Afrika auf Farmland und so sind die Konflikte mit den Landbesitzern vorprogrammiert. Hier setzt einer der wichtigen Punkte im Programm des Projekts an. Es wird versucht, den Farmern Wege aufzuzeigen, wie ein Zusammenleben für beide Seiten ein Gewinn sein kann. Auch durch Vorträge und Informationsveranstaltungen mit Schülern und anderen Gruppen wird präventiv am Schutz der Tiere gearbeitet. Ein Rennen gegen die Zeit.

Wir geben unseren Wagen nach einer Fahrt durch Windhoek am Flughafen ab und sehen unserer Heimreise entgegen. Zwei aufregende, schöne und lehrreiche Wochen liegen hinter uns. Die Weite des Landes, der Tierreichtum und die enorme Vielfalt in Flora und Fauna, aber auch die Begegnungen in den Orten haben Erinnerungen in uns gesät, die hoffentlich noch lange wachsen und uns oft an diese Tour zurückdenken lassen. Die Entfernungen sind groß zwischen den Hauptattraktionen, aber das Gefühl Teil eines Roadmovies zu sein und eine ganz spezielle Art der Freiheit genießen zu dürfen, sind einfach wundervoll. Ich möchte hier nicht die durchaus vorhandenen Probleme durch Armut, Arbeits- und Perspektivlosigkeit, hohe HIV-Rate und Landflucht vergessen. Aber das Land ist stabil und hat mit der Natur ein Kapital, mit dem sich bei maßvollem Umgang einiges zum besseren Umsetzen ließe. Wir möchten gerne wiederkommen, um mehr Namibia zu erleben.

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