Innen wie außen so weit

Reisen mit Kopf, Herz und Seele

Innen wie außen so weit

Warum eigentlich noch reisen?

Das Interesse am Globus und dem Westermann Schulatlas wurde durch meinen Vater in mir geweckt. In unserem Haus war Geld immer eine Mangelware. Das Streif Fertighaus hatten meine Eltern beim Verkauf, 43 Jahre nach Fertigstellung, noch immer nicht abbezahlt und auch kein einziges Mal gestrichen. Dach, Fenster und fast alle Installationen stammten noch aus 1972. Immer wieder war der Hauskredit aufgestockt worden, um andere Löcher zu stopfen. Alles Geld, das zur Verfügung stand und auch alles nicht zur Verfügung stehende wurde in der Ferienzeit mit dem Wohnanhänger Marke Eifelland in Europa verteilt. Unvergessen unser Trip zum Nordkap im Jahre 1975, damals die letzten hundert Kilometer noch auf nicht asphaltierter Piste. Die Mitternachtssonne hatten wir für uns alleine und die Erfahrung ohne Lampe das Lustige Taschenbuch lesen zu können war prägend. Genauso beeindruckend wie der mehrtägige Aufenthalt auf dem Parkplatz einer einsam gelegenen Werkstatt, auf unser Ersatzteil für den orangefarbenen Ford Taunus wartend. Täglich suchten mein Bruder Stefan und ich die in der Nähe mit ihren Tieren lebenden Samen auf und bekamen einen für uns damals scheinbar den Schilderungen von Karl May oder Jack London entsprungenen Lebensentwurf hautnah mit.

Mein Vater legte mit seiner Sehnsucht, aus dem Nachkriegsdeutschland hinaus in die für ihn mit Frau und drei Söhnen erreichbaren Länder zu reisen, den Grundstein für meine Lust, die Welt kennenzulernen. In der Schulzeit ging es "trampend" und per Interrail quer durch den Kontinent. Mit sechzehn Jahren dann erstmals alleine nach Marokko und damit erstmals außerhalb der europäischen Grenzen. Nach dem Abitur wurden die Ziele ferner und die Zeiträume länger. Monatelange Reisen durch Nord- und Mittelamerika, Asien und Afrika, nur unterbrochen, um in Deutschland wieder Geld zu verdienen, folgten über die nächsten Jahre. Schöne, interessante und auch teilweise lebensgefährliche Episoden spielen sich heute in meinem Kopf ab, wenn ich an diese Reisen denke. Ein haarsträubender Unfall in Texas mit einem Mexikaner ohne Papiere in einem geklauten Auto, aber genauso Tikal in Guatemala mit fünf weiteren Besuchern oder ein Konzert mit Black Jack, dessen Bart-Dreadlock bis zum Bauchnabel ging, und der uns auf die Bühne in Belize City geholt hat, um mit uns und der Band zusammen einen Song zu singen.

Außer Dias und später digital gespeicherten Fotos habe ich keinerlei Gegenstände von all den Reisen angesammelt. Nichts verstaubt auf den Regalen, nur die Erinnerungen setzen in irgendwelchen Kammern des Gehirns Spinnweben an und werden immer einmal wieder mit dem Staubwedel gereinigt und aus allen Blickwinkeln betrachtet. Inzwischen habe ich fast neunzig Länder bereist, viele davon mehrmals oder über längere Zeiträume. Immer begleitet haben mich dabei Kamera und Objektive. Die Fotografie ist das einzige so lange wie die Reislust erhalten gebliebene Hobby. Sie trägt mich durch viele Situationen und ist immer wieder eine Kontakte anbahnende Herausforderung. Wie auf den Reisen, so ist es auch bei der Fotografie der überraschende Moment und meine amateurhafte Herangehensweise, die die schönsten Ergebnisse schaffen. Ich habe noch nie ein Buch über Fotografie gelesen oder einen Kurs besucht. Wie in einem der Tagebücher beschrieben, löse ich noch immer Schärfe und Unschärfe über die Belichtungszeit und nicht über die Blende, typisches Autodidaktenverhalten...

Erst mit Mitte dreißig und der Geburt meines ersten Sohnes wurde die Lust an neuen Zielen umgelenkt von fernen Ländern zu der Entdeckung eines ganz eigenen Kosmos, der Familie. Schon vor meiner Beziehung mit Anke hatte ich einen alten Hof in der Serra de Monchique gekauft, der nun für mehrere Monate im Jahr unsere zweite Heimat wurde. Der herrliche Blick über die bewaldeten Bergketten bis zum Atlantik, die romantischen Bewässerungsbecken, das rudimentäre Haus, aus deutscher Sicht eher Stall denn Wohnung, bildeten die perfekte Kulisse für unser Familienleben in diesen Perioden. Bis heute wirft uns der Platz immer wieder um und jede Ankunft ist ein kleines Fest. Inzwischen fährt unser älterer Sohn mit seinen Freunden quer durch Europa bis in unser malerisches Tal und mein älterer Bruder hat sich das Nachbarhaus renoviert und verbringt mehrere Monate im Jahr dort.

Mit dem heranwachsen unserer Kinder erwachte dann auch wieder die Lust auf fernere Länder und nach Marokko war es dann Namibia, wo unsere Söhne erstmals längere Zeit außerhalb Europas ganz andere Natur- und Kulturentwürfe kennenlernten. Ab hier beginnen dann auch die Reistagebücher, die dieser Blog zusammen mit den dazugehörenden Fotos beheimatet.

Der Blog ist ein privates Anliegen, die Möglichkeit Schrift und Bild zusammenzubringen und - fast - jederzeit abrufen zu können. Ich habe mich entschieden daraus ein öffentliches Vehikel zu machen, weil ich selber immer wieder vor einer Reise von den vielen Angeboten im Netz profitiere und das gelesene in meine Planung einfließen lasse oder mich einfach auf dem winterlichen Sofaplatz vor dem Kamin in die Abenteuer anderer hineinträume...  - dabei bin ich mir durchaus bewußt, dass in dieser epischen Länge kaum ein Mensch länger dabeibleiben wird. Es ist mit Absicht ein ruhiger Blog mit langen Text- und Fotopassagen, oftmals genau soviel über das Reiseziel wie über mich sinnierend. Letztendlich ist jedes Reistagebuch auch ein Zeitdokument, in den Kontext einer politischen Situation oder eines gesellschaftlichen Themas eingebettet. Ein Ausflug über Grenzen zu Land und Zeit, eine Sammlung von kleinen Anekdoten und wandernden Gedanken.

Reisen weitet den Horizont, schafft die Möglichkeit sich selbst zu ändern und über das kennenlernen anderer Lebenskonzepte die Menschen leichter in ihrer Art mögen zu können. Über die Ferne ist es einfacher sich selbst nahe zu sein. Durch während des Reisens entstehende Situationen wird das Ich immer wieder hinterfragt und neu eingeordnet. Andere Kulturkreise halten mich frisch, lassen mich jedoch auch letztendlich meine eigene Zwergenhaftigkeit akzeptieren und die Selbstironie hochhalten. Ein schöner Weg aufrecht, aber trotzdem mit einem breiten Lächeln voranzuschreiten...

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